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nahm Luthers Leben eine ganz neue Richtung

 

 

 

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1505  |  Stotternheim

21 Jahre alt war der frisch gebackene 'magister artium', als Martin das Jurastudium begann. Anfang Juli auf dem Rückweg von einem Besuch bei seinen Eltern in Mansfeld wurde er, so heißt es, beim Dorf Stotternheim vor Erfurt von einem schweren Gewitter überrascht.

Wegen eines nahen Blitzeinschlags warf er sich zu Boden, rief in seiner Todesangst die Heilige Anna an (die Schutzpatronin u.a. der Bergleute sollte auch vor Gewitter schützen) und gelobte: „Ich will Mönch werden!". Die Geschichte hat er als alter Mann selbst erzählt.

 

Zwei Wochen später klopfte er an die Pforte des Augustiner-Eremiten-Klosters in Erfurt.

 

 

 

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1505  |  Eintritt ins Kloster

Die Mitstudenten schüttelten den Kopf und der Vater war stocksauer: Plötzlich wollte Martin ein Mönch werden, obwohl Vater Hans schon erheblich in seine Ausbildung investiert hatte. Außerdem hatte Martin sein Grundstudium als Zweitbester abgeschlossen und das Jurastudium schon begonnen. Hatte er eine Krise, weil einige seiner Kollegen und Professoren ganz plötzlich an der Pest gestorben waren? Oder hatte ihn verunsichert, dass sein Vater schon eine "gute Partie" für ihn geplant hatte ... mit einer älteren Witwe?
Sein „gezwungen und gedrungen Gelübde“ von Stotternheim wäre wohl nicht bindend gewesen. Aber er blieb dabei.

 

Nach einer Abschiedsfeier unter Studenten suchte er in Erfurt ein Kloster strenger Bettelmönche auf, das Augustiner-Eremitenkloster. Dieses Kloster hatte einen guten Ruf und war finanziell gut abgesichert. Es beherbergte zu Luthers Zeiten ca. 50 Mönche. Hier wurde Luther Novize.

 

Sein Vater, inzwischen ein wohlhabender Mann, der die "Pfaffen" hasste und für Mönche nicht viel übrig hatte, war mit dieser Entscheidung sehr lange unzufrieden. Martin hätte lieber als Jurist Karriere machen sollen.

 

 

 

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1506  |  Mönchsgelübde

Nach einigen Wochen Vorprüfungszeit begann Martin sein Noviziat. Diese Probezeit dauerte ein Jahr, und er hätte sie jederzeit (und wohl ohne das Gesicht zu verlieren) beenden können, ohne Mönch zu werden. Seinem Vater hätte er damit einen großen Gefallen getan. Aber Luther blieb bei seinem Entschluss.

 

Er lernte den strengen Klosterablauf kennen: Der Tag begann kurz nach Mitternacht mit dem ersten Gebet und endete erst spätabends. Er war gefüllt mit Stundengebeten, Messen und geistlichen Lesungen. Erst um zwölf Uhr mittags wurde das erste Mal, schweigend und betend, gegessen. Kurz vor Einbruch der Nacht gab es eine Abendmahlzeit, die an Fastentagen nur aus Obst und Brot bestand - und gefastet wurde oft. Zusammengerechnet fast das halbe Jahr.

 

Die Mönche schliefen auf Strohsäcken gemeinsam im Schlafsaal. Mönchszellen waren in Erfurt Arbeitsplätze fürs Studium, durch Gitterfenster jederzeit einsehbar und wurden regelmäßig getauscht, damit keinerlei Gefühl persönlichen Eigentums aufkommen konnte. Gemütlich ist anders.

Trotz allem: Nach Ablauf des Noviziates im September 1506 legte Martin die Mönchsgelübde ab. Er verpflichtete sich zum Gehorsam den Ordensoberen gegenüber, zu persönlicher Armut und Keuschheit und erhielt die schwarze, grob gewebte Kutte und die Tonsur.

Die Ordenstracht trug er 18 Jahre lang - selbst dann noch, als ihn sein Vorgesetzter Staupitz schon von seinen Gelübden entbunden hatte .

 

1506: Der Bau der Peterskirche in Rom beginnt. Das Geld- und Handelsmonopol der Fugger steigt auf. Michelangelo malt in der Sixtinische Kapelle.

 

"Ich hätte mich bei Zeiten zu Tod gefastet, denn oft nahm ich an drei Tagen weder einen Tropfen noch ein Krümchen Brot zu mir."

M.L.

 

 

 

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Komturhaus der Ordensritter

In direkter Nachbarschaft zum Erfurter Augustinerkloster steht ein Komturhaus, einst ein regionales Geschäftszentrum des Deutschen Ritterordens. Der Orden hatte zwar sein Herrschaftsgebiet im fernen Preussen kurz vor dem Baltikum, aber in vielen deutschen Großstädten gab es Komtureien (Handelsniederlassungen) - so auch in Erfurt. Für Luther wird der Anblick von Ordensrittern nicht ungewöhnlich gewesen sein.

 

Als Luther Mönch wurde, war Friedrich, Herzog von Sachsen, Hochmeister des Deutschen Ritterordens.
Er war der Bruder des (im albertinischen Sachsen) regierenden Herzog Georg und ein Cousin von Kurfürst Friedrich d. Weisen, Luthers Landesherrn.

 

 

 

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1507  |  Priesterweihe und erste Messe

Luther, der fließend Latein (schreiben und sprechen!) konnte, wurde innerhalb des Klosters bald zum Diakon und - keine neun Monate nach seinem Mönchsgelübde - zum Priester geweiht. Das war nicht selbstverständlich. Im Orden gab es nicht nur Geistliche, sondern auch Laienbrüder, die alle möglichen Aufgaben hatten – von der Küche bis zur Latrine.

Aber die Leiter des Konvents erkannten früh die besondere Begabung Luthers für Sprachen und seine Liebe zur Heiligen Schrift und schickten ihn bald zurück an die Universität - nun zum Theologiestudium.

 

Als Mönch gehörte Bruder Martin zum Orden, war aber nicht zwangsläufig an ein bestimmtes Kloster gebunden. So schickten ihn die Ordensoberen ins Schwarze Kloster nach Wittenberg, um an der neuen Universität des Kurfürsten zu studieren. Ein paar Monate später beorderten sie ihn wieder zurück nach Erfurt…

 

 

 

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1507  |  Treffen mit Vater Hans

Seit Martins Abbruch des Jurastudiums und dem Eintritt ins Schwarze Kloster war sein Vater Hans verstimmt. Er hatte ganz andere Pläne mit seinem begabten Sohn gehabt, juristische Fachliteratur war schon gekauft und Absprachen für eine Hochzeit waren auch bereits getroffen. Das war nun alles hinfällig.

 

Als Martin zum Priester geweiht wurde und seine erste Messe hielt, war das ein besonders festlicher Anlass. Er lud er seinen Vater ein, und Vater Hans kam tatsächlich zur „Primiz“ nach Erfurt. Aktuelle Pestfälle in der Stadt schreckten ihn nicht ab, und er trieb einen ungewöhnlich hohen Aufwand: Mit einem stattlichen Gefolge von zwanzig berittenen Männern hielt er im Augustinerkloster Einzug.

Dort stiftete er zwanzig Gulden an die Klosterküche, auf dass das Festmahl nach der Erstmesse reichlich bemessen sei... Das war ein kleines Vermögen.

Zum Vergleich: Ein Zeitgenosse aus Nürnberg notierte im Kassenbuch als Jahreslohn für seinen Hausknecht 7 Gulden, für die Magd 5 Gulden. Mit 20 Gulden hätte Vater Hans also 4 Mägde ein ganzes Jahr lang bezahlen können.

Ein eindrucksvolles Zeichen der Achtung für seinen Sohn, wenn auch noch nicht die ganz große Versöhnung.

 

 

 

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Waidfärberei in Erfurt

Erfurt war zur Zeit Luthers eine der reichsten Städte Deutschlands. Ihren Reichtum verdankte sie nicht zuletzt einer Pflanze: dem Färberwaid. Viele Bauern rund um Erfurt bauten das Kraut an und lieferten dann die frischen Waidballen in die Stadt, wo daraus ein begehrter blauer Farbstoff gewonnen wurde.

Die Herstellung des Farbstoffs und der Handel mit Waid für edles blaues Tuch waren äußerst einträglich. Auch auf dem Gelände des Augustinerklosters in Erfurt stand ein Waidhaus, in dem u.a. die Rohstoffe getrocknet und gelagert wurden. Die Mönche hatten zwar ein Armutsgelübde abgelegt, geschäftstüchtig waren sie trotzdem.

 

Ähnlich wie das Gerben stank auch das Färben mit Waid wie die Pest. Es lohnte sich aber, und in Erfurt gab es zum Glück genug Wasser, das man fürs Färben und Waschen brauchte. Eine Chemikalie, die man unbedingt fürs Färben brauchte, musste allerdings erst hergestellt werden. Dazu verwöhnte man geeignete junge Männer mit großen Mengen Bier und ließ sie dann ... produzieren.

 

Das ist jetzt kein Witz: Die "Waidpinkler" waren besonders gefragt. Je größer der Ertrag der flüssigen körpereigenen Ressource, desto besser. Nicht ganz sicher verbürgt ist, dass immer Montags gefärbt wurde, und dass die Männer dann wegen der Risiken und Nebenwirkungen, die das viele Bier mit sich brachte, den ganzen Tag verschlafen haben. Daher soll aber die Redewendung "blauer Montag" oder "blau machen" stammen...

 

Übrigens war das Färben immer eine kleine Überraschung: Die Stinkebrühe war gelbgrün, die Stoffe nach dem Bade auch. Erst beim Trocknen wurde das Material erst grün, dann blau.

 

 

 

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1510  |  Reise nach Rom

Luther sollte im Auftrag von sieben Augustinerkonventen in einem Streit um Ordensangelegenheiten in Rom vorsprechen. Gemeinsam mit einem Ordensbruder machte er sich im Herbst 1510 auf den Weg über die Alpen. Zu Fuß. Durch Eis und Schnee. Und barfuß, wie es die strenge Ordensregel vorsah (naja, vielleicht galten Sandalen gerade noch als ‚barfuß‘?).

 

Der Zweck seiner Dienstreise schien kaum Beachtung zu finden: Kein Empfang durch den Papst, kein Treffen mit hochrangigen Kardinälen, Details sind nicht überliefert. Doch als bußfertiger Mönch hatte Luther in der Stadt auch sein Pilgerprogramm. Er besuchte Kirchen und Messfeiern, nahm an einer Wallfahrt teil und rutschte die Heilige Treppe hinauf, um seinen Großvater aus dem Fegefeuer zu erlösen, wie er später erzählte. Der (neue) Petersdom war gerade eine riesige, sündhaft teure Baustelle.

 

Nach ca. 4 Wochen in Rom ging es nach Hause: Wieder zu Fuß über die verschneiten Alpen. Im April 1511 war Luther wieder zurück in Erfurt. Er hatte nicht nur die Strapazen der Wanderung sportlich gemeistert, sondern auch noch die strengen Fastenzeiten in der Adventszeit und vor Ostern überlebt…

 

"Und ich dachte, wer weiß, ob es wahr ist."

 

"Niemand glaubt, was in Rom für Bübereien und freuliche Schande gehen.

Ich wollte nicht hunderttausend Gulden dafür nehmen, dass ich Rom nicht gesehen hätte."

M.L.

 

 

 

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1512  |  Bibelprofessur in Wittenberg

Johann Staupitz, Luthers Vorgesetzter im Augustiner-Orden, holte ihn an die unlängst gegründete Universität nach Wittenberg. Dort veranlasste er ihn, zum Doktor der Theologie zu promovieren. Er sollte die Bibelprofessur übernehmen, die bisher Staupitz innehatte. Mit knapp 29 Jahren war Luther ein sehr junger Doktor der Theologie. Es soll es üblich gewesen sein, dass selbst erfahrene Bibellehrer erst Doktoren wurden, wenn sie die 50 schon überschritten hatten ... Die Bibelprofessur behielt Luther auf Lebenszeit.

 

Als Mitglied eines Bettelordens hatte Luther kein eigenes Vermögen. Aber eine Promotion war teuer (Zulassungs- und Prüfungsgebühren, Festmahl). So zahlte der Kurfürst als Stifter der Universität für die Promotion. Die Summe von 50 Gulden wurde anlässlich der Herbstmesse in Leipzig von zwei hochrangigen kurfürstlichen Hofbeamten übergeben und Luther quittierte den Empfang.

Die Quittung gibt es heute noch: https://reformation.slub-dresden.de/autograph/quittung-von-martin-luther-fuer-die-erstattung-der-kosten-seiner-doktorpromotion-aus-der-kurfuerstlich/

 

Auch als Professor bekam Luther in den nächsten Jahren kein Gehalt. Schließlich war er als Augustinermönch der Armut verpflichtet. Es war wohl ein kluger Schachzug seines sparsamen Kurfürsten, seine Universität mit Augustinern zu besetzen ... Erst als sich die Wittenberger Ordensniederlassung in Folge der Reformation auflöste, wurde Luther ein ordentliches Professorengehalt zugebilligt. Und der Kurfürst schenkte ihm das ganze Klosteranwesen.

 

 

 

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zwischen 1512 und 1517  |  Turmerlebnis

Manchmal war Luther ein verzweifelter Mann. Wie kriege ich einen gnädigen Gott?, fragte er sich. Dabei war sein Beichtvater der Meinung, Luther hätte gar keine ernstzunehmenden Sünden zu beichten und hätte Gott deswegen auch nicht zu fürchten. Wohl bei der Vorbereitung seiner Uni-Vorlesungen über Biblische Bücher wurde ihm ein Satz aus dem Römerbrief ganz klar: "Der Gerechte wird aus Glauben leben!" Luther verstand das so: Gnade Gottes ist ein Geschenk an den, der glaubt, und kein Lohn für geleistete religiöse Mühe.

 

Diese Erkenntnis hatte er wahrscheinlich in seinem Studierzimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters (die Fundamente des Turms hat man erst vor wenigen Jahren gefunden). Deshalb spricht man von seinem "Turmerlebnis". Wann genau das war, darüber streiten sich die Gelehrten.

 

Martin Luther trug lange seinen elterlichen Familiennamen (eine erhaltene Immatrikulationsliste der Uni Erfurt nennt ihn 'Martinus Ludher ex Mansfeldt'). Er änderte seinen Namen wohl nicht, um den Beigeschmack von „liederlich“ oder „lotterhaft“ in seinem Namen loszuwerden: 1517 unterschrieb er seine Briefe mit "Martinos Eleutherios": Martin, der Befreite, der Freie. 1518 ist der Namenswechsel vollzogen von Luder zu Luther – in dem der Eleutherios weiter klingt. So stark hat ihn das Turmerlebnis geprägt. Und innerlich befreit. 

 

„Da fing ich an, die Gerechtigkeit Gottes als eine solche zu verstehen, durch welche der Gerechte als durch Gottes Gabe lebt, nämlich aus dem Glauben … Da fühlte ich mich wie ganz und gar neugeboren, und durch offen Tore trat ich in das Paradies ein.“

M.L.

 

 

 

 

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1516  |  Luther auf Reisen

Luther war nicht nur Professor der Bibelwissenschaften an der Universität zu Wittenberg, sondern auch sonst ein vielbeschäftigter Mann. Er war stellvertretender Leiter des Klosters, Prediger und Seelsorger an der Stadtkirche zu Wittenberg, Studienleiter an der Universität. Und er war viel auf Reisen.

 

Er führte von 1515 - 1518 als Distriktsvikar die Aufsicht über eine Reihe von Augustinerklöstern in Mitteldeutschland. Die Klöster zu „visitieren“ gehörte damals zum ordensinternen Qualitätsmanagement. So war Luther viel unterwegs, er besuchte in dieser Verantwortung u.a. die Konvente in Herzberg, Dresden, Grimma, Neustadt/Orla, Erfurt, Gotha, Coburg, Eisleben, Salza (heute Bad Langensalza), Nordhausen, Wernigerode und Magdeburg und legte Wert auf die Einhaltung strenger Ordensdisziplin.

Jahre später wird Luther auch regelmäßige Visitationen für die neu entstandenen evangelischen Kirchgemeinden anordnen.

 

Als junge Führungskraft seines Ordens nahm Luther auch an Treffen des Ordenskapitels teil, der Leitungskonferenz der Augustiner-Eremiten auf deutscher Ebene.

 

 

 

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1517  |  Ablasshandel

Im kursächsischen Gebiet war er derzeit nicht genehmigt, dafür aber im Brandenburgischen: Der Ablasshandel. Jeder Gläubige konnten sich von qualvollen Strafen, mit denen er nach seinem Tode rechnete, freikaufen.

In Jüterbog, nicht weit von Wittenberg, verkaufte Johann Tetzel erfolgreich Ablassbriefe. Erfolgreich für Rom, das damit den Neubau des Petersdoms finanzieren wollte. Erfolgreich auch für den jungen Markgrafen Albrecht von Brandenburg, der in Personalunion auch Erzbischof von Magdeburg, Erzbischof von Mainz - mit Kurwürde - und bischöflicher Administrator von Halberstadt war. Aus den Einnahmen wollte er seine Schulden begleichen (er hatte hohe "Gebühren" für den Antritt seiner Ämter zahlen müssen und dafür einen riesigen Kredit bei den Fuggern aufgenommen).

 

Tetzels marktschreierischer Missbrauch des Ablasshandels, der Martin Luther zu Ohren kam, ließ ihn schließlich seine 95 Thesen veröffentlichen. Damit beschwerte er sich sozusagen auf akademische Weise bei seinem Erzbischof - dem Auftraggeber Tetzels.

 

Der Dominikanerprediger Johann Tetzel aus dem Paulinerkloster in Leipzig war jahrelang Ablassprediger im Gebiet des Deutschen Ritterordens und in Sachsen, Süddeutschland und Österreich. Im Jahr nach Luthers Thesenveröffentlichung wurde Johann Tetzel von Papst Leo X. zum Doktor der Theologie ernannt.

 

Begleitet wurde Tetzel von aufmerksamen Vertretern des Bankhauses Fugger. Schließlich ging es auch um ihr Geld. Die Fugger hatten in vielen Großstädten Niederlassungen (Faktoreien), z.B. in Erfurt und Leipzig.

 

„Man predigt Menschenlehre, wenn man sagt: Sobald das Geld im Kasten klingt, entflieht die Seele dem Fegefeuer."

M.L.

 

 

 

 

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1517  |  Reliquiensammlung

Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise war ein frommer Mann und gab viel Geld dafür aus. Seit der Zeit der Kreuzfahrer waren viele Reliquien zu erwerben, und Friedrich baute eine umfangreiche Sammlung auf. In der Schlosskirche seiner Wittenberger Residenz stellte er die Reliquien regelmäßig aus - anlässlich von Allerheiligen am 1. November, denn die Schlosskirche ist Allen Heiligen geweiht. Für die Reliquien hatte er sogar einen "Katalog" herausgegeben, das Heiltumsbuch. So konnten die Gläubigen auf ihrer Wallfahrt erfahren, was genau sie sich dort ansahen. Jede der ca. 5000 Reliquien bescherte dem frommen Besucher einen genau bemessenen Ablass.

 

Später wird man sagen, der Theologieprofessor Martin Luther hätte gerade am Vortag so einer großen Wallfahrt, am 31. Oktober, seine Thesen gegen den Ablass an die Tür der Schlosskirche geheftet... Wahrscheinlich ging seinem Landesfürsten dadurch künftig eine gute Einnahmequelle verloren. Vom gekränkten Sammlerstolz ganz zu schweigen...

 

 

 

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1517  |  Raub des Tetzelkastens

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, sagt man. Der Ablassverkäufer Tetzel soll vor lauter Geschäftstüchtigkeit sogar Ablass für künftige Sünden gewährt haben. Mit Brief und Siegel.
So gibt es in Jüterbog eine Geldtruhe, die Hans von Hake der Stadt übergab, nachdem er Tetzel den Kasten gestohlen hatte. Den Ablass für diese schändliche Tat hatte er vorher gekauft... In der braunschweiger Gegend erzählt man sich am Tetzelstein von Königslutter die gleiche Geschichte über Ritter von Hagen. Und auch aus Berlin ist die Story überliefert. Hat die Legende wohl einen wahren Kern?

Gefährlich werden solche Raubzüge trotzdem gewesen sein. Denn wenn dem Ritter von Hake bzw. Hagen schon kein Fegefeuer für diesen Frevel drohte, dann doch wenigstens die weltliche Gerichtsbarkeit, oder?
Durfte der Büttel eigentlich jemanden für etwas bestrafen, was Gott schon im voraus vergeben hatte?